Mystisches  
Näpfe und Rillen im Werbener Kirchengemäuer
Eigenartige Vertiefungen, Näpfe und Rillen findet man in den alten Gemäuern hiesiger Dorfkirchen, so auch an der im 14. Jahrhundert erbauten Werbener Kirche. Damals schon als Steinbau errichtet, sind über die Jahre Mauerreste erhalten geblieben mit Stellen, an denen diese Vertiefungen heute noch zu sehen sind. Pfarrer Puhlmann weiß darüber zu berichten:
KircheNach der Überlieferung wurden an diesen Stellen Waffen geschärft, bevor die Männer in den Krieg zogen. Das aus der Kirchenmauer geriebene Pulver sollte den Leib des ausziehenden Kriegers kugelfest machen. Auch Tierseuchen glaubte man verhindern zu können, indem das Pulver unter das Futter gemischt wurde. Ebenso sollte es gegen das eigene Bauchkneipen helfen.
Wie kam man darauf?
Es war in den Augen der Leute kein gewöhnliches Steinmehl. Es war Staub und Pulver vom Gotteshaus. Ihre Ansicht war wohl: Wer sich so eines Teils des Kirchenhauses bemächtigte, habe sich Gottes Beistand gesichert.
Aberglaube, meint Pfarrer Puhlmann. Man trieb Zauberei mit dem Steinmehl. Ob die Urgründe dafür noch auf vorchristliche zeiten zurückgehen, bleibt vorerst im Dunkeln.

© Rolf Radochla 2004
Dieser Text erschien im
"Stog - Der Schober 2005"

Unser Werben ist das Spreewalddorf zwischen
Cottbus und Burg
Werben
Foto: Radochola

Der Teufel und die Gutsherren

Aus der Geschichte der Dörfer des Amtes Burg 

Nachdem Gott sein Werk vollendet und die Erde samt dem Spreewald wohlgestalt geschaffen hatte, kam der Teufel über unser Gebiet geflogen. Auf seinem Rücken einen Sack voller Herren tragend, verstreute er diese über das Land, in jedes Dorf einen. Einen Herren für Briesen, einen für Guhrow, einen für Brahmow und noch einen für Müschen. Des Teufels Sack war jedoch von schlechtem Werg. Daher zerriss er plötzlich, als er sich an der Werbener Kirchturmspitze verfing. Gleich fünf Herren purzelten heraus und fielen auf Werben herab. Infolge dessen erschöpfte sich der Herrenvorrat des Teufels bald. Über Ruben war der Sack gänzlich leer - und deshalb hatten die Rubener keinen Herren.
So wurde es in Ruben erzählt, in einer alten Legende. Und wie bei Legenden üblich, enthielt diese neben aller Fantasie eine Portion Wirklichkeit. Selbstverständlich hatten auch die Rubener ihre Herren, nur saßen diese meistenteils in Papitz. Von Löben, von Buggenhagen, von Rabenau, von Hake - so hießen die letzten Geschlechter Papitz-Rubener Gutsbesitzer.
Tatsächlich ohne unmittelbarer Rittergutsuntertänigkeit blieben die Amtsdörfer wie Burg und die Neugründungen Kolonie und Kauper, oder wie Dissen. Ihr Herr saß in Berlin oder Potsdam. Sie waren direkte Untertanen des brandenburgischen Kurfürsten bzw. preußischen Königs, der zur Verwaltung seines Besitzes die von der Kriegs- und Domainenkammer geleiteten Amtsleute einsetzte. Und wirklich waren die Bauern in den Amtsdörfern oft besser gestellt als ihre ritterschaftlichen Standesgenossen.
Werben hatte seine fünf Herren nicht nur in der Legende. Bis zur Jahrtausendwende noch zeugten von der gutsherrlichen Zersplitterung die vier Herrenhäuser mitten in Werben, benannt nach ihren letzten Besitzern: die Häuser von Bomsdorff und von Schönfeldt, die sich seit einigen Jahren wieder in Privatbesitz befinden, die Häuser von Müller-Schönaich und von Oetinger/von Seydlitz mit Garten und Park, für welche die Gemeinde vergebens Käufer suchte, um sie vor dem gänzlichen Verfall zu bewahren. Das Anwesen deren von Schönaich fiel danach am 1. Mai 2006 einem mysteriösen Brande zum Opfer, das derer von Seydlitz wird nun (2013) nach Rekonstruktiuon zum Haus der Vereine geweiht.
Die Schuld an der hohen Herrenanzahl in Werben kann man aber nicht dem Teufel anlasten. Einst war es nur ein einziger Ritter, Czaslow von Schönfeldt, aus dem Meißnischen stammend, der von Kurfürst Friedrich Eisenzahn 1464 mit Werben belehnt wurde. Die "Kraft ihrer Lenden" bescherte den Schönfeldts reichlich Nachkommenschaft und Erbteilungen, die nach sieben Generationen zunächst vier Werbener Gutsanteile hervorbrachten. Man nannte sie nach ihren Besitzern: Jobstens Hof, Caspars Hof, Ernstens Hof und Sigismunds Hof. Letzterer wurde nochmals geteilt. Es entstand der fünfte Anteil, der "Weinberg" genannt.

So kam es, dass die Werbener so viele Herren hatten. 

© Rolf Radochla 2005/2013

Diabolo
Zeichnung:
Ingrid Groschke

Adliger Aberglaube und andere Angelegenheiten

Ein Werbener Hausbuch

Glauben Sie an Hokuspokus, Handauflegen, Besprechungen und allerlei Hausmittel, um z. B. Rheumaschmerzen und Zahnweh zu bekämpfen. Nein! Warum nicht? Ach so, Sie gehen lieber zum Arzt oder holen sich ein paar Tabletten aus der Apotheke.

Wir haben es leicht, heute! Vor 200 Jahren aber setzte man oft noch auf recht wunderliche Mittel, um ein gesundheitliches, häusliches oder anderes Problem zu meistern. Einige davon lassen sich in einem „Haus-, Hand und Rezeptbuch“ aus Werben finden. Der Autor titelt noch weiter: „… aus viel jähriger Erfahrung gesammelt und bewehret gefunden von einem alten Landwirt“. Dieser war der Freiherr von Weissenfels Sen., ein Adliger und zu jener Zeit Besitzer eines der fünf Rittergutsanteile von Werben. Eine spätere Hand notierte auf dem Titelblatt mit „?1780?“ ein Jahr, in dessen zeitlicher Nähe das Werk wohl entstanden sein mochte. Fragezeichen markieren gleichzeitig die Unsicherheit dieser Einordnung zu Recht. Im Text auftauchende Jahreszahlen weisen darauf hin, dass bis zum Jahre 1836 Ergänzungen vorgenommen wurden. Es spiegeln sich so in diesem Hausbuch über 50 Jahre Ansichten und Praktiken Werbener Adliger wider.

 

Und was empfahl der Werbener Adel?

„Gegen jeder Art Reißen namentlich bei Zähnen“ zunächst einmal einen Spruch:

Jesu Deine Wunden quillen nicht,

Jesu Deine Wunden schwillen nicht,

Jesu Deine Wunden schmerzen nicht,

Denn so, wie aus dem Speeres Stoß

Das Blut und Wasser heraus floß,

So soll dies stillen.

Aber, durch Kraft u. Macht Deines Willens.

Denn der Jesus u. Pilatus
Und Johannes reisten über das Land
da begegnete ihnen ein Mensch

Der mit deßgleichen war entbrannt.

Also sprachen die Dreie:

Wir gebieten dir in Gottes Kraft und Macht

Daß die Schmerzen stille stehen

Und die Krankheit wieder zurückegehn;

Im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Dreimal sollte man diesen Spruch aufsagen. Man brauchte aber noch etwas Rinde von einem Baum, den der Blitz getroffen hatte, ein Schwalbennest, etwas Heusamen und einen alten Reisigbesen, dazu einen eisernen Topf und glimmende Kohle. In den Topf unten hinein kam die Kohle, darüber die anderen Zutaten und obenauf der Besen. Nun sollte aus dem Topf ein heilender Qualm emporsteigen, den der Kranke – darüber gebeugt – in vollen Zügen einzuatmen hatte. War jener Kranke so schlimm dran und zum Darüberbeugen nicht in der Lage, empfahl der Freiherr, den Qualm mittels eines Tuches auf den Patienten zu "conzentriren". – Der Patient fiel während der Behandlung sicherlich in Ohnmacht und wird so seiner Schmerzen ledig gewesen sein.

Dass Kirchengemäuer zu allerlei Zauberei herhalten mussten, davon zeugen jene napf- und rillenartigen Vertiefungen in ihren Ziegeln aus alter Zeit, die man in ganz Norddeutschland findet, auch an den Kirchen von Werben und Briesen. Im Werbener „Haus-, Hand und Rezeptbuch“ spielte die Kirchenmauer ebenso eine Rolle, und zwar als „Sympathie gegen Warzen: Wenn man aus der Kirche geht, zieht man von der betroffenen Hand den Handschuh weg und streicht mit den Warzen an der Wand lang, indem man sagt:
"Ihr bleibt hier, und ich gehe weg; im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes.“

Das wirke aber nur, wenn man danach „still nach Hause“ gehe. Man könne den Spruch auch im Wald hersagen, wenn man gleichzeitig die betroffene Hand auf die mit Windunterstützung freigefegte Erde lege, die sich unter tief herabhängenden Zweige der Tannen oder Kiefern zeige.

Ein weiteres Warzenmittel bestehe aus dem frischen Blut einer jungen Taube, der man deswegen den Kopf abreißen solle. Das Blut wurde auf die Warze gestrichen und antrocknen gelassen. „In wenigen Tagen sind die Warzen weg“, heißt es.
Auch der Mond könne helfen:
„Bei Neumond stelle man sich im Zimmer etwa so hin, daß man im Mondschein steht, das Gesicht dem Mond zugewandt. Indem man die Warzen anfaßt, sagt man: ‚Was ich begreif, nimmt ab’, sieht dann den Mond an und sagt: ‚Was ich ansehe nimmt zu; im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.’ Und so 3 Mal. Der Mond muß auf die Warzen scheinen.“

Einen „dollen Hund“ kurierte man mit einem Bissen Butterbrot, auf dem Zauberbuchstaben in die Butter geschrieben sein mußten:

+   A   B   A   M   R   A   +

  +   G   A   L   A   M   +

  +   G   A  O   M   E   +

     +   K   W   Z   U   +

Hier hallte wohl die frühe Geschichte nach, wurden doch vor Zeiten oft Buchstaben zur Wahrsagung und als Zaubermittel benutzt, so wie es von germanischen Gebrauch der Runen bekannt ist.

Für den Bio-Bauern oder Gärtner könnte die Methode interessant sein, wie man damals Kohlraupen vertrieb. Zwischen den Kohlpflanzenreihen wurde Hanf gesät. Ebenso rings um das Kohlbeet herum. Hatte man die Hanfaussaat vergessen, konnte man sich auch mit Hanfstroh behelfen, welches zwischen die Reihen gelegt wurde. In zwei Tagen, schreibt der Autor, seien die Raupen verschwunden und bekräftigt mit den Worten „selbst probiert und probat gefunden“. Nur sollte man sich heute nicht dabei erwischen lassen – wir haben in Deutschland bekanntlich ein Hanfanbauverbot …

Juristisch gesehen könnte auch nachfolgender Tipp einen heutigen Anwender in Bedrängnis bringen, zumindest aber den Zorn der Tierschützer erregen:

Wilde Gänse fangen
Man nimmet Samen cicuta
[ d. i. der hochgiftige Wasserschierling - RR], sonst Meisterwurzel, legt solche 1 Tag u. 1 Nacht ins Wasser mit Hafer oder Körner oder anderen Grassamen, als dann koche es mit den Körnern, daß sie das Wasser ganz in sich gezogen haben, schütte diesen Samen am Boden aus, wo sich wilde Gänse öfters setzen und einfallen, wenn sie davon fressen, so werden sie betäubt dergestalt, daß man sie mit Händen fangen kann, doch muß man gut aufpassen, daß sie nicht zu lange in der Betäubung bleiben, sonst fliegen sie wieder auf.“

Na ja, man meint wohl eher, dass man sie fangen soll, bevor die Betäubung verpflogen ist.

Nicht nur Zaubersprüche und -mittel, sogenannte Sympathiemittel, sondern ebensoviel Rezepte ohne Zauber, Ratschläge für Haus, Hof und Garten, landwirtschaftliche Grundsätze, allerlei Vorlagen für geschäftliche Texte, Verträge, Weisungen etc. und auch einige Kochrezepte sowie Verfahrensvorschriften für die Wein-, die Brantwein- und Likörherstellung sind dort notiert worden. Diese alle aufzuführen bleibt späterer Publikation vorgehalten, die noch etwas Zeit in Anspruch nehmen wird.

© Rolf Radochla 2006


Hausbuch

Dieser Text erschien im
Stog - Der Schober 2006

Wendische Liebesorakel

Ein Mädchen darf sich bei Tische nicht an eine Ecke setzen, sonst bekommt es keinen Mann. Wenn die Maid zum Kaffee vor der Milch den Zucker gibt, wird sie eine alte Jungfer. Isst sie mit dem Kochlöffel, bleibt sie noch lange ledig. Wenn sie das Brot oder die Butter anschneidet, muss sie noch sieben Jahre warten. Räumt sie den Tisch schnell ab, so heiratet sie bald. Wenn sie beim Essen singt, erhält sie einen trunksüchtigen Mann; ein bei der Mahlzeit singender Junggesell aber bekommt ein brummiges Weib. Wenn dem Mädchen die Finger knacken, sobald sie daran zieht, so erfährt man, wie viele Freier sie haben wird. Zerbricht sie beim Nähen eines Hemdes drei Nadeln, so wird sie bald Braut. Sticht sie sich beim Nähen eines Kleides in den Finger, so wird sie viel geküsst werden, wenn sie es trägt. Ein Mädchen darf sich beim Nähen nicht den Faden um den Hals legen, sonst muss sie noch lange auf einen Mann warten. Mädchen müssen immer ganz herum stricken, sonst bleibt ihnen der Schatz nicht treu.

Am Andreastag (30. November) gibt es den Brauch des Bäumchenschüttelns abends oder um Mitternacht. Man spricht dabei:

»Bäumchen, Bäumchen, ich schüttle dich,
heiliger Andreas höre mich!
Feinsliebchen lass dich hören,
aber nicht sehen!«

Dann lauschen sie auf Geräusche, undeutliche Worte oder das Bellen eines Hundes, die aus der Richtung kommen, wo der künftige Geliebte wohnen soll.

Beliebt ist auch das ›Glücksgreifen‹. Man greift in einen Haufen klein gehacktes Holz oder Kies. Ergeben die gefassten Stücken eine gerade Zahl (Paare), so heiratet das Mädchen noch im selben Jahr. Ist die Zahl ungerade, bleibt es noch ein Jahr zu Hause. Aus einem Strohdach ziehet das Mädchen drei Halme heraus. Sind an allen drei Halmen noch Ähren dran, bekommt es einen jungen Burschen. Fehlt an einen Halm die Ähre, bekommt es einen Witwer. Im Dunkeln rückwärts gehend wird ein Holzscheit aus dem Haufen gezogen. Ist es gerade, bekommt die Maid einen schönen und wohlgestalteten Mann. Ist das Holzscheit krumm, bekommt sie einen Buckeligen.

Üblich ist auch das ›Pantoffelwerfen‹. Das Mädchen setzt sich in der Mitte des Zimmers auf den Fußboden und wirf einen lose auf den Zehen sitzenden Pantoffel kopfüber hinter sich zur Tür. Zeigt die Spitze des Pantoffels ins Innere, bleibt auch das Mädchen noch zu Haus. Zeigt die Spitze nach draußen, wird es im kommenden Jahr eine Hochzeit geben. Die Richtung der Pantoffelspitze zeigt auch an, wohin das Mädchen gehen wird.

In manchen Gegenden schreiben die Mädchen das Alphabet mit Kreide auf den Tisch. Mit verbundenen Augen wischen sie dann mit dem linken und dem rechten Zeigefinger über die Schriftzeichen. Die Zeichen, die verwischt worden sind, bilden die Anfangsbuchstaben des künftigen Geliebten.

Und so ließen sich noch viele solcher Orakel finden, wie sie wohl nicht nur bei den Wenden gebräuchlich waren (oder sind). Wünschen wir allzeit allen jungen Mädchen und Burschen, dass sie den Richtigen oder die Richtige finden und sie sich einfach ganz lange lieb haben können.

© Dr. Edeltraud Radochla 2007

Dieser Text erschien im
Stog - Der Schober 2007

Glücksgreifen

Das Bild stammt aus dem in unserem Verlag 2012 erschienenen Buch von
Ingrid Groschke
"Wie feiert man im Sporeewald?"
ISBN 978-3-938555-24-8